Camping Arbi
15. August 17. Tushemisht am Ohridsee ist das Reiseziel vieler Albaner, weil es auf 700 Meter Höhe im Sommer hier frischer ist als am Meer und auch der ehemalige Diktator Enver Hoxha verbrachte seine Urlaube gerne hier. Wir sind nach der anstrengenden Fahrt auf dem Campingplatz Arbi angekommen. Der Mover ist gerade mal wieder keine Unterstützung und so hängt Frank den Jeep nochmal an, um den schweren Caravan über einen flachen Bordstein nach hinten auf die Parzelle zu schieben. Ich hab nur den Fahrradträger hinten im Auge und merke auch nicht, dass das Bugrad nicht hochgeschraubt ist. Kratsch. Eine tiefe Rille im englischen Rasen und das Rad hat sich festgefressen. Für heute reicht’s jetzt – erst mal ein Bier trinken, später reparieren.
Der Campingplatz Arbi ist sehr gepflegt und nur durch eine Einbahnstraße vom Strand getrennt. Viele Autofahrer halten sich aber nicht daran. Heute können wir beobachten, dass die Polizei Verkehrssünder anhält, aufschreibt und wieder die Einbahnstraße zurückschickt. Übrigens sieht man hier Polizisten meist paarweise auftreten, Mann und Frau, und meist auf dem Fahrrad. Am Strand gibt es Liegestühle und Sonnenschirme zur freien Benutzung. Einen der Bunker hat man als Marienkäfer verkleidet.
Die Sanitäranlagen sind absolut sauber, gepflegt und für Albanien musterhaft. Mit sehr viel Sorgfalt und gärtnerischem Geschick werden auch die Wege und Rabatten gepflegt.
WLAN geht bei mir nur auf Smartphone (Android), neuer Laptop hat Authentifizierungs-Probleme und fliegt nach Verbindung sofort wieder raus. Dann eben kein Reiseblog….
Frank ist erfolgreicher: Bugrad repariert, Blende mit Tape geklebt – sieht aus wie neu, genial mein Ehemann.
Familie Agolli
Die Tochter (14 Jahre alt) und ihr jüngerer Bruder schmeißen sehr geschickt und professionell den gesamten Service, vom Frühstück bis spät in die Nacht. Tische decken, Bestellung aufnehmen, servieren, abkassieren … alles was dazu gehört, Tag für Tag, mit gleichbleibender Freundlichkeit und Aufmerksamkeit. Das Essen im Restaurant ist vorzüglich, auch der Wein ist zu empfehlen. Hut ab vor diesen Kindern, sie sind bestens motiviert! Vater Arben steht am Grill oder pflegt liebevoll den Garten und die Anlage, die Mutter steht mit der älteren Tochter in der Küche und man bekommt die beiden selten zu Gesicht. Neben dem Restaurant steht ein kleiner Caravan – da scheint die Familie zu wohnen.
Die Familie auf dem Platz hier ist enorm fleißig und hält ihr Anwesen wunderbar gut in Ordnung, den ganzen Tag, ohne Rast.
Müllproblem
Außerhalb des Platzes ist es leider ungepflegt und die Stadt kriegt das Müllproblem nicht in den Griff. Männer kehren täglich Tag Berge von Algen und sonstigem Morast aus dem See und Lastwagen transportieren die Abfälle ab. In den See werden Abwässer geleitet und da er hier im Süden sehr flach ist, spielen nur ein paar Kinder im Wasser. Schwimmen ist hier nichts für mich. Schade.
Der Ohridsee, einer der ältesten Seen der Erde, hat keine eigentlichen Zuflüsse, sondern wird durch Quellbäche gespeist. Eine der wichtigsten Quellen liegt hier in Tushemisht, ein Abfluss aus dem Prespa-See.
Park von Drilon in Tushemisht
16. August 17. Vormittags Fotosafari am Strand und im Park von Drilon mit den kalten Quellen und Fischen aus dem Ohridsee. Einige typischen Fischarten wie Barsche, Äschen, Saiblinge, Hechte usw. fehlen. Hier gibt es Karpfen und die wohlschmeckende Ohrid-Forelle, die ca. 5 kg schwer wird, aber durch Überfischung und Verschmutzung stark bedroht ist. Der Park hat zahlreiche Teiche, Restaurants und einzelne Inseln zwischen den Wasserwegen, die aber nicht miteinander verbunden sind. Einmal lande ich bei der Brutstätte der Schwäne, dann kurz vor einem Lokal, dann auf der Müllhalde am Rand. Schon sehr romantisch, das Gebiet. Jeden Tag mehrere Hochzeiten zum Fotoshooting. Ruderboote auf den Kanälen in Rosa und Himmelblau und dann die vielen weißen Schwäne, die grazil die Federn nach oben schwingen. Dazu Enten aller Größen und Rassen.
Meine Bedenken möchte ich hier äußern: so viele Wasservögel kacken viel, und zwar ins Wasser. Und das ganze Brot noch dazu, das die Kinder und Erwachsenen zum Anfüttern in die flachen Wasserkanäle werfen. Das macht das Wasser kaputt. Dabei ist dies hier der wichtigste Quellfluss des Ohridsees in Albanien! Die Algen ragen schon teilweise über die Wasseroberfläche und ein aasartiger Geruch macht sich breit. Hinten im Park türmt sich der Müll am Ufer. Die fünf großen Ratten hätte ich gerne fotografiert, aber sie waren schneller als ich. Und die ganze Unratsoße fließt wieder in den See.
Zufahrt zum Camping Arbi?
Frank macht in der Zwischenzeit mit dem Radl eine Erkundungstour und fährt unsere Strecke von gestern nochmal ab, als wir in der Prärie gelandet waren. Wir sind richtig abgebogen, aber die Strecke war für ein Gespann sehr waghalsig. Ein anderer Autofahrer hatte richtig Pech: den Spuren auf dem Feldweg nach zu schließen, riss er sich die Ölwanne auf; zwei große Ölpfützen zeugen davon. Bei uns ist außer einem kleinem Riss am WoWa vorne außen neben dem Griff kein weiterer Schaden sichtbar .. na gut, der Spiegel im Bad hat sich vom doppelten Klebestreifen gelockert, hält aber noch.
Vormittags liegt der Campingplatz im Schatten. Am Nachmittag brennt gnadenlos die Sonne runter, weil die angepflanzten Bäumchen noch zu jung sind, um ein bisschen Schatten zu bringen und Wind weht auch nicht. So nehme ich den Vorschlag meines Angetrauten gerne an und fahre zum ersten Mal seit dem Unfall zu Ostern wieder Fahrrad –im lockeren Kies schiebe ich aber immer noch.
Pogradec mit dem Rad
Die Strecke nach Pogradec ist eben, die 1 km lange Uferpromenade liegt im Halbschatten und der Verkehr ist an Radfahrer gewöhnt. Pogradec hat keine besonderen Sehenswürdigkeiten, aber die Seepromenade ist gut herausgeputzt. Sandstrand mit bunten Sonnenschirmen, breiter gepflasterter Weg, dann ganz breiter, parkähnlicher Grünstreifen, nochmals gepflasterter breiter Fußgänger- oder Fahrradweg und danach erst die normale Autostraße. Am Strand eine Mischung aus Rimini, Jahrmarkt, Volksfest und Parkanlage. Die Stadt selbst scheint ohne Zentrum und sehenswertem Altstadtkern zu sein. Manchmal ist der See so flach, dass Sandbänke entstehen, auf denen Möven oder Urlauber sitzen.
Abends hat Frank Appetit auf Pizza und hat schon ein entsprechendes Restaurant/Pizzeria gefunden- gut zu Fuß erreichbar. Nachts Fahrrad zu fahren ist hier zu riskant. Keine Straßenbeleuchtung, unvorhersehbare Löcher, Sand und Abfall; auf den Brücken gehen Rinnen und Löcher durch die gesamte Fahrbahn, streunende Hund paaren sich liebestoll. Es fährt nachts auch keiner mit dem Rad.
Türkische Pizzeria Dante
Nach wenigen Minuten sind wir im „Dante“ und einer der zahlreichen Ober im weißen Hemd und schwarz glänzender Weste bringt uns die Speisekarte. Mehr als 30 verschiedene Pizzasorten, dazu ein Pizzabäcker vor einem gemauerten Pizzaofen – sieht doch richtig gut aus. Erster Wermutstropfen: es gibt hier kein Getränk mit Alkohol. Frank hat nachmittags schon mal nachgefragt und ich konnt’s nicht glauben. Am Nachbartisch hat jemand sein Bier selbst mitgebracht und ein anderer eine Flasche Raki. Na gut, ist halt so, warum auch immer. Ich bestell ein alkoholfreies Bier und Frank einen alkoholfreien Wein. Das Bier hat 0,2 l, schmeckt ziemlich süß und lauwarm, aber geht schon. Franks Wein kommt in einem sehr schönen Glas, richtig großer, eleganter Rotweinkelch – die Farbe ist auch noch gut, aber der Geschmack: Mischung aus Brombeersaft und Himbeersirup, süß und klebrig warm. Einmal Nippen genügt. Dann kommen Pizza Windsurf und Capriziosa. Schluck. Bei mir sind Teile drauf, die an Scheiben von Wienerwürsteln erinnern, aber sie beißen sich butterweich und schmecken so, wie das Hundefutter einst gerochen hat. Die Salami irgendwie chemische Schmiere mit Fleischgeschmack, fade Dosenpaprika anstatt der angekündigten Artischocken. Kein Gewürz, keine Kräuter, auch die Champignons schmecken nach nichts … Ich knabbere tapfer an den Rändern und hol mir die Oliven von Franks Pizza, – da ist noch Eigengeschmack drin. Meinem Ehemann scheint es noch schlechter zu schmecken und nach höchstens einem Pizza-Viertel legt er das Besteck beiseite und zündet sich eine Zigarette an.
Alles hat auch gute Seiten
Seit geraumer Zeit bemerke ich einen jungen Mann, der im Halbdunklen neben dem Restaurant steht und irgendetwas in Richtung zu mir spricht. Er kommt näher und zeigt auf den Handflächen einzelne Münzen. Aha, ein Bettler. Ich schaue weg. Er kommt näher und wendet sich an Frank mit Gesten und Münzen in den bettelnden Händen, dann wieder an mich. Ich sage: „no“ (hab zu oft negative Erfahrungen gemacht mit Bettelnden). Plötzlich kommt mir in den Sinn: er hat wirklich echt Hunger. Mein Deuten auf die Pizza lockt ein freudiges Nicken in das Gesicht des jungen Mannes. Ich reiche ihm die angegessene Pizza und er verschwindet glücklich auf eine Parkbank im Halbdunklen, hält die Pizza in beiden Händen und verspeist sie genüsslich. Es hat doch alles auch eine gute Seite!
Abend kommt wieder der stürmische Wind auf. Vorteil: die Mücken fliegen nicht.