Gjirokastra – Stadt aus Stein

Gjirokastra, die „Stadt aus Stein“

17. August 2016. Gjirokastra ist bekannt als osmanische Kaufmannstadt, die  wegen der charakteristischen Dächer aus grauen Steinplatten die „Stadt aus Stein“ genannt wurde.  2005 wurde sie von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Julian nimmt sich für uns kurzzeitig  arbeitsfrei und fährt uns mit seinem Privatauto in die Stadt. Dort hat er extra für uns eine befreundete Dame als Reiseführerin organisiert. Die junge Studentin spricht gut Englisch und führt uns mit vielen Informationen 4 Stunden lang durch die Stadt. Sie hat Wirtschaftswissenschaft studiert, findet aber hier keine Arbeit und möchte trotzdem nicht wegziehen. Langsam hält der Tourismus auch hier Einzug und die jungen Leute können wieder sesshaft bleiben.

Die gewaltige Festungsanlage

Zuerst geht es bei brütender Hitze über einen gepflasterten Weg steil den Berg hoch zur Festung, vorbei an zahlreichen osmanischen Turmhäusern mit markanten Steindächern, Holzbalkonen und weiß getünchten Steinmauern. Die Altstadt wirkt grau, düster aber auch mystisch und faszinierend. Die Burg soll die zweitgrößte im Balkan sein. Das Rüstungsmuseum enthält eine Sammlung von Kriegswaffen, Kanonengeschützen, Kriegerstatuen und Fotografien. Die Atmosphäre und Beleuchtung in den Gängen mit Waffen aus dem zweiten Weltkrieg wirkt auf mich etwas unheimlich.
Im Freigelände steht ein altes Düsenflugzeug aus den 50er Jahren, eine Lockheed T33.  Auf der große Freiland-Bühne werden Veranstaltungen dargeboten wie das international renommierte Gjirokaster National Folk Festival, das alle fünf Jahre stattfindet. Vom Uhrturm hat man einen schönen Blick über die Altstadt und die umliegenden Berge. Die Landschaft ist im Sommer karg und die Erde verbrannt, jedoch soll man im Frühling hier grüne Wiesen sehen.

Enver Hoxha – verehrter / verhasster Diktator

Der nächste Besichtigungspunkt ist das ethnografische Museum, ein gut restauriertes, osmanisches Haus. Es zeigt Möbel, Kleidung, Geschirr, Werkzeuge und andere kulturelle Gegenstände einer typischen, wohlhabenden Familie aus dem 19. Jhd.. In diesem Haus wurde 1908 Enver Hoxha  geboren. Unsere einheimische Reiseführerin betont  , dass sich die meisten jungen Leute heute dafür schämen, was Hoxha angerichtet hat und einige Denkmäler in seiner Geburtsstadt wurden vernichtet . Dieser Mann war von 1944 bis 85 Diktator der sozialistischen Volksrepublik Albanien, sehr extrem und vielleicht sogar geisteskrank. Wer sich gegen ihn auflehnte, den ließ er einfach umbringen. Er erklärte Albanien zum ersten atheistischen Staat der Welt und ließ Kirchen und Moscheen zerstören oder in Lagerhallen umwandeln. Privatautos waren verboten. Er zerstritt sich mit allen Mächtigen der Welt und stand am Ende vollkommen alleine und isoliert da. Aus Angst vor einer imaginären Invasion ließ er 700.000 Betonbunker bauen – für jeden wehrpflichtigen Mann im Lande einen. Durch die nötigen Stahl- und Betonimporte wurde das Land immer ärmer. Noch heute stehen diese dauerhaften Bunker, weil sie so schwer zu entfernen sind. Graue, betonierte, armierte Iglus mit Kuppeln überall im Land verteilt, auf Kartoffeläckern, Wiesen, in Weingärten, Olivenhainen, Flussufern und Sandstränden.

Weiter geht unsere  Besichtigungstour bergauf und bergab. Die „Stadt der tausend Stufen“ hat sie der bekannte, hier geborene Dichter Kadare genannt. Die ca. 600 alten Häuser in Gjirokastra sind schon sehr andersartig. Manches Haus scheint eine wehrhafte Burg zu sein – dicke Wände, steinerne Untergeschosse, verzierte Holzvorbauten und schwere Steindächer aus geschichteten Platten, manche mit großen Brunnen im Innenhof. Die Stadt ist derart steil, dass man meint, wenn man hinfällt, rollt man nicht in einen Straßengraben, sondern auf ein Hausdach.

Jetzt brauchen wir dringend etwas zum Trinken nach all den heißen Steinen und laden unsere charmante Stadtführerin abschließend auch dazu ein. Sie führt uns zu einem ihrer Freunde der Familie, der uns sehr herzlich auf Englisch empfängt in seiner kleinen Cafe‘-Bar und einen Raki ausgibt. Hier lassen wir die Eindrücke auf uns wirken, beobachten das muntere Treiben und wie das Lieblingsauto der Albaner, der Mercedes, trotzdem durch die engen, steilen Gassen kommt.

Julian hatte uns zwar eine Visitenkarte mit Handynummer mitgegeben mit der Bitte, ihn anzurufen, damit er uns wieder abholen könne. Wir wollen aber die Gastfreundschaft nicht überstrapazieren und gehen gemütlich in einer halben Stunde zum Camp zurück.

Weinberg

Abends laden uns die Campingplatzbetreiber zu einer Besichtigung ihres Weinbergs ein. Hier stehen verschiedene Traubensorten nebeneinander, große und kleine blaue Trauben, dazwischen Weiße – bunt gemischt, jede Rebe anders. Der alte Herr Winzer erklärt uns, dass er die Blätter nur sparsam entfernt, weil die Reben so mehr Kraft haben. Als Schutz vor bösen Geistern sind grauenvolle Puppen zwischen den Reben drapiert.  Wir dürfen nach Herzenslust naschen, zwischendurch pflückt Julian Him- und Brombeeren, Haselnüsse und Feigen und wir probieren alles mit Appetit. Danach dürfen wir uns noch das Produktionsgebäude ansehen, wo der Wein in Kunststofffässern lagert und auch der Raki reift. Der alte Herr erklärt, dass der Wein auch deshalb so gut sei, weil er jede Weinbeere einzeln pflückt und der Raki rein aus weißen Trauben gewonnen wird. Tatsächlich haben wir selten so guten Wein getrunken und egal, wie viel man abkriegt – am nächsten Tag hat man einen klaren Kopf und keinen Kater. Aber an eines soll man sich halten und so macht es auch Julian allabendlich: nie durcheinander trinken – entweder Raki oder Wein.

Bei Abfahrt haben wir einen Kasten leerer Wasserflaschen mit Rotwein des Hauses auffüllen lassen dürfen. Er hat den Weg nach Deutschland nicht überstanden, weil der Wein so gut schmeckt. Und Frank tut es heute noch leid, dass er nur einen halben Liter Raki geordert hat – so mild und wohlschmeckend sucht er seinesgleichen.

………..

Die gesellige Abendrunde trifft sich heute bei Stephan. Ich mache mal Pause von Wein, Raki und neuen Leuten. Hauptgast heute ist ein deutscher Chirurg, der als Kettenraucher die Theorie zum Besten gibt, dass Rauchen Krebszellen beseitigt.

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