Samstag 13. August 2016. Vom Campingplatz aus werden Ausflüge sehr empfohlen und organisiert; so lassen auch wir uns überzeugen und buchen eine 2-Tages- Reise in ein nordalbanisches Bergdorf. Ausnahmsweise lassen wir uns chauffieren, da keiner von uns beiden „the road to Theth“ fahren möchte. Für mich war es das schönste Erlebnis in diesem Urlaub.
Die Fahrt nach Theth
Morgens um 8 Uhr werden wir von einem sehr speziellen Mini-Bus abgeholt, der bereits mit 10 jugendlichen Albanern besetzt ist. Unsere Rucksäcke passen gerade noch in den Kofferraum, am Dachträger stapeln sich diverse Leinensäcke und Kisten. Unser Busfahrer ist bestens gelaunt und quatscht mit einem Bekannten, der ihm ab und zu seine kleine Schultertasche über den Kopf zieht. Aha, jetzt habe ich‘s kapiert: die Polizei am Straßenrand soll denken, der Riemen der Handtasche sei ein Sicherheitsgurt!. Er lässt sich nicht beirren, raucht eine Zigarette nach der anderen aus dem offenen Fenster, bietet auch Frank Zigaretten an, indem er sich während der Fahrt umdreht oder auch sonst nach hinten schaut, um mit den jungen Albanern zu schäkern. Hin und wieder fahren wir mit Hupkonzert auf irgendeine Einöde zu, unser Guide lädt einige Säcke Kartoffeln oder sonst was von seiner Fracht ab, um meist stattdessen leere Fässer mitzunehmen. Die Fahrt dauert ungefähr vier Stunden, obwohl es nur 70 km sind. Die unbefestigte Straße wird immer schlechter und enger, voller Schlaglöcher, abgerutschte Randstreifen, Felsüberhänge und schraubt sich unentwegt den Berg hoch. Die Straße nach Theth gehört mit zu den zehn gefährlichsten der Welt! Um euch die Strecke von Augen zu führen, habe ich mir ein paar Bilder geliehen, denn ich habe das Handy im Rucksack und Frank kann nicht fotografieren, da er bei den interessanten Kurven stets die Augen zu macht ….
Nach und nach steigen die anderen Insassen aus und auf dem letzten Stück nimmt unser Fahrer dann noch eine Abkürzung durch den Wald über Stock und Stein und meint dabei lachend, ein Mercedes hält das schon aus. Endlich sind auch wir am Ziel in unserm Guesthouse angelangt. Der Slogan lautet: „Erleben Sie Weltklasse-Service in der Unterkunft Bujtina Berishta Theth“
Ich hatte ja schon einmal erwähnt, dass ich nicht gerade schwindelfrei bin. Aber hätte ich geahnt, was auf mich zukommen sollte, ich wäre sicherlich nicht mitgefahren. Die Anfahrt gestaltete sich noch moderat, der Anstieg zum Pass war nagelneu ausgebaut (Bankett, Ausweichstellen, Leitplanken). Unser Fahrer kannte jede Kurve auswendig und nahm sie in Walter-Röhrl-Manier, allerdings mit einem Mercedestranporter mit slickähnlichen Sommerreifen. Aber dann änderte sich der Charakter der Straße schlagartig! Kein Teer, kein Bankett, keine Leitplanke, keine Ausweichen! Dafür: Schlaglöcher, loser Untergrund, links Felswand, rechts Abgrund. Was unseren Fahrer aber in keinster Weise beeindruckte. Ich wäre die Strecke nicht einmal zu Fuß gelaufen. Er, souverän mit einer Hand am Steuer! Mit einem schwarzen Sack über dem Kopf wäre es vielleicht zu ertragen gewesen. Und dann das Schlimmste: Die gleiche Strasse mussten wir ja wieder zurück! (Anm. d. Ehem.)
Sehr herzliche und nette Begrüßung durch einen jungen Mann, der gutes Englisch spricht, der Rest der Familie verständigt sich mit freundlichen Gesten. Unser einfaches, aber gemütliches Zimmer mit Vollholzmöbeln wird uns gezeigt, danach ein Tisch im Freien gedeckt und dann kochen sie nur für uns alleine! Unglaublich, was hier alles aufgetragen wird – verschiedene Platten mit gegrilltem Gemüse, mehrere Sorten von angemachtem Quark und Schafskäse, knackige Salate aus dem Garten, gegrilltes Spanferkel (oder hat Frank recht, und es war Lamm? auf jeden Fall super genial gut), selbstgebackenes Brot, Wasser frisch aus der Quelle im Garten gezapft, aromatische Melone usw.. Frank traut nur den Gurken und Tomaten. Noch nie habe ich im Urlaub so gut gegessen wie hier.
Guesthouses
Dass es diese Gästehäuser hier in Theth gibt, ist einem Entwicklungshilfe-Projekt der GIZ im Auftrag des Bundesministeriums zu verdanken. Neun Familien haben seit 2006 Unterstützung bei der Modernisierung ihrer Häuser bekommen und konnten so Küchen und Sanitäranlagen bauen, Fenster einsetzten, Dächer erneuern und Möbel für die Fremdenzimmer kaufen. Die Gäste wohnen bei dem Familien im gleichen Haus und werden von ihnen verköstigt. So haben die armen Einwohner ein Zusatzeinkommen und die Nachfrage von Touristen steigt beständig. Aus den anfangs 300 Gästen im Jahr sind mittlerweile etwa 12.000 geworden und fast jedes zweite Haus bietet Gästezimmer an. Wollen wir mal hoffen, dass dieses Stückchen Paradies hier oben noch länger so erhalten bleibt.
Für die Einwohner selbst ist es ein karges Leben hier. Restaurants gibt es bisher noch keine, der nächste Einkaufsladen ist drei Autostunden entfernt. Hier lebt man als reiner Selbstversorger. Jeder baut Obst und Gemüse an und hat Nutztiere auf den Wiesen. Brot, Milch, Käse, Honig, Raki und Fleisch, alles stellen die Thether selber her. Einzig ein bescheidenes „Cafe“ haben wir im Ortskern gefunden. Der Kaffee war allerdings grausig, eine dunkle, dicke Brühe mit undefinierbarem Geschmack und die Bar strotzte vor Dreck, aber das Lächeln der Mama war sehr freundlich.
Die Schule ist total verwahrlost und wahrscheinlich geschlossen. Wie kämen die kleinen Kinderfüßchen denn auch durch diese große Pfützen? Hinter zerbrochenen Fenstern existiert aber in kleiner Computerraum.
Baumaterial für Häuser wird aus dem Fluß geholt. Der Lastwagen oben im Bild hatte aber zu viel aufgeladen und kam auch nach vielen Mal Anlauf nehmen nicht die leichte Steigung hoch. Da dies die einzige Straße im Ort ist, mussten die anderern Verkehrsteilnehmer Geduld haben. Neben unserem Guesthouse errichteten Maurer eine Steinmauer und sie schufteten bei hochsommerlichen Temperaturen mindestens 12 Stunden ununterbrochen ohne merkenswerte Pausen.
Dis Schule war nicht geschlossen. Die Kinder hatten Ferien. Angeblich wurden hier zwei Klassen unterrichtet. Und der Laster konnte die Steigung nicht hochkommen, weil die Hinterachse gebrochen war.(Anm. d. Ehem.)
Nightlife in Theth
In der Abendsonne mit Blick auf die Berge schauen wir dann amüsiert der Oma beim Schweinehüten zu. In einer kleinen Holzhütte oberhalb unseres Gastgartens wohnen nämlich zwei kleine Schweinchen und die dürfen abends Gassi gehen. Ungestüm sausen sie um die Hütte herum und denken nur ans Rumtollen. Nach einer Weile will die Oma den Auslauf beenden, aber die kleinen Ferkel denken gar nicht daran, wieder in die Hütte zu gehen. Eines lässt sich schließlich fangen und hineinstecken, das andere ist schneller. Endlich hat die Oma mit dem langen Stock auch den zweiten Wildfang erwischt, aber als sie die Tür einen Spalt öffnet, springt das erst vergnügt wieder heraus. Und dieses Spiel geht ca eine Stunde lang – ein Schweinchen rein – eines raus ….. Ich glaube, ich hätte mir da irgendwann eine bessere Methode ausgedacht.
Abends füllt sich das Guesthouse bis auf den letzten Platz mit Wandergruppen aus aller Herren Ländern, die von einem Tagesausflug in den Bergen kommen. Es soll hier seit kurzem gut ausgebaute und markierte Wanderwege geben. Nach dem noch üppigeren und vielseitigeren, köstlichen Abendessen bauen die Hausleute einen hohen Turm aus trockenem Holz hinten im Garten auf und nachdem der Holzstoß etwas runtergebrannt ist, sitzen wir alle im Kreis am Lagerfeuer. Auf einer Seite wird es stets zu heiß und die Funken fliegen mit dem Wind. So nimmt das Platztauschen und Bänkerücken kein Ende. Einer hat ein Gitarre dabei, eine ältere Frau singt Mantras, eine andere sagt ein Berliner Gedicht auf, die jungen Albaner spielen Gesellschaftsspiele und der selbstgebrannte Raki heizt die Stimmung an.
Nachts wird es auch im Sommer ganz schön frisch und mit dem Rauchgeruch des Lagerfeuers schlafen wir tief und fest.